Steht Auslöschung des Christentums in Ursprungsregion bevor?

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Homs Old Town Destruction

Internationale Staatengemeinschaft wegen Türkei-Offensive in Syrien stark gefordert

Father Francois Mourad and Archbishop Jacques Behnan Hindo celebrating holy mass

Die Entscheidung von US-Präsident Trump, seine Truppen aus dem Nordosten Syriens abzuziehen, hat eine Reihe von Ereignissen in Gang gesetzt, von denen die türkische Offensive nur ein erstes Fanal sein könnte. Verlierer aber werden nicht nur die Kurden sein. Jacques Behnan Hindo, der emeritierte syrisch-katholische Erzbischof von Hassaké-Nisibi: „Es war nicht klug, den Truppenabzug einzuleiten. Es war klar, dass den Kurden niemand helfen würde. Jetzt werden sie alles verlieren, wie es bereits in Afrin geschehen ist.“ In einem Gespräch mit dem weltweiten katholischen Hilfswerk «Kirche in Not (ACN)» macht er sich keine Hoffnung, was die jüngste Invasion der Türkei im Nordosten Syriens angeht.

Christen ohne kurdischen Schutz

Iraq 2015 January Distributing the food packages at Mar Qardakh School Ankawa IRAQ / NATIONAL 14/00252 Financial aid to provide food for displaced Christians

„Wie immer hat jede Kriegspartei ihre eigenen Interessen, aber wir Christen werden die Konsequenzen tragen“, sagt Hindo. Im Nordosten Syriens leben rund 30 000 bis 40 000 Christen verschiedener Konfessionen. Trotz Einschränkungen waren sie unter dem Schutz kurdischer Truppen relativ sicher in der Region, die sich zwischen dem Euphrat und der Grenze zur Türkei und der irakisch-türkischen Grenze erstreckt. Die Kurden waren nicht zuletzt wichtige Partner im Kampf gegen den Terror des sogenannten IS. Beides scheint nun unter türkischem Militärfeuer ausgelöscht. Nun, da die Kurden um ihr eigenes Überleben kämpfen, stehen die Christen wie die anderen Minderheiten, zum Beispiel die Jesiden, ohne Schutz da. Ein neuer Exodus sei vorprogrammiert, so Bischof Hindo. Hinzu komme jedoch noch eine weitere, weit gefährlichere Entwicklung. „Es wurde gemeldet, dass eines der Gefängnisse, in dem IS-Kämpfer festgehalten wurden, im Kampf getroffen wurde und weitgehend unbewacht ist. Die meisten von den Terroristen werden jetzt frei sein. Das folgt einem Plan, Syrien zu zerstören – und nicht nur Syrien. Jetzt werden die Terroristen nach Europa kommen, durch die Türkei und mit der Unterstützung Saudi-Arabiens.“

Neue Flüchtlingswelle – vor allem in den Irak

Miss Manal Adess and her nephew Joseph in Al-Jdaydeh destroyed district in Aleppo.

Eine neue Flüchtlingswelle, die vor allem den Irak mit voller Härte trifft, befürchtet auch der chaldäisch-katholische Erzbischof von Erbil, der Hauptstadt der Region Kurdistan, Bashar Warda, ein langjähriger Projektpartner von «Kirche in Not (ACN)». „Wir bereiten uns auf eine neue Flüchtlingswelle vor. In Erbil haben wir in den vergangenen beiden Jahren schon eine steigende Zahl von Vertriebenen aus Nordsyrien festgestellt“, schreibt Warda in einer Erklärung, die dem Hilfswerk vorliegt. „Wir hoffen und beten, dass sich die Regierung und die internationale Gemeinschaft sich nicht abwenden, sondern uns unterstützen, den Christen und den anderen unschuldigen Menschen zu beizustehen, welche Religion sie auch haben.“ Erschwerend kommt hinzu, dass für viele Flüchtlinge nur der Irak die nächstgelegene Zufluchtsoption darstellt. Der Libanon, der seit Ausbruch des Syrienkriegs die höchste Zahl von Flüchtlingen aus Syrien aufgenommen hat, beginnt nun Berichten zufolge mit einem verstärkten Rückführungskurs. Warda befürchtet deshalb: „Sollten Christen keine ausreichende Versorgung im Nordirak finden, werden sie den Nahen Osten ganz verlassen.“ Einmal mehr ist die Gefahr der Auslöschung des Christentums in einer seiner Ursprungsregionen zum Greifen nah. Letztlich könnte die erneute Eskalation sogar einem der Hauptziele des IS doch noch zum Erfolg verhelfen, macht Warda deutlich: „Der Ausrottung des Christentums in der Region.“

Greift der Konflikt auch auf Aleppo über?

Offen bleibt, ob der Plan der Türkei, eine Sicherheitszone im Nordosten Syriens einzurichten, auf die Region begrenzt bleibt. Sollte der Konflikt auch auf den Nordwesten überschwappen, wäre unter anderem Aleppo betroffen, wo derzeit rund 30 000 Christen leben. „Das könnte der Anfang vom Ende sein“, erklärt der in Aleppo ansässige armenisch-katholische Priester Mesrob Lahian gegenüber «Kirche in Not (ACN)». Das Hilfswerk war in den vergangenen Kriegsjahren immer an der Seite der syrischen Christen gestanden und wird ihnen auch in der aktuell schwierigen Situation beistehen. Die Kirchen sind oft die einzigen Anlaufstellen für die kriegsgeplagte Bevölkerung. Lebensmittel- und Medikamentenhilfen, Beiträge für Lebenshaltungskosten und Unterbringung von Flüchtlingen kommen aber nicht nur Christen zugute. Beim Helfen fragt niemand nach dem Taufschein, sondern nur wie die Not zu lindern ist.

Spenden mit Vermerk «Syrien» können gerichtet werden an:

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Kirche in Not
Aide à l’Église en Détresse
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By Louis A. Venetz

Dipl. Ing. FH in Systemtechnik